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An aerial view of the grounds of al-Ahli hospital. The crater is visible on the pathway between the two landscaped areas. Fire damage is visible on cars in the adjoining parking lot, Gaza City, October 17, 2023. © 2023 Shadi Al-Tabatibi/AFPTV

(Jerusalem, 26. November 2023) – Am 17. Oktober 2023 wurden bei einer Explosion am Al-Ahli-Arabi-Krankenhaus in Gaza-Stadt zahlreiche Zivilist*innen getötet und verletzt. Die Explosion wurde offenbar von raketengetriebener Munition ausgelöst, wie sie häufig von bewaffneten palästinensischen Gruppen verwendet wird, erklärte Human Rights Watch heute. Fehlgeleitete Raketen kommen zwar häufig vor, doch lässt sich nur mithilfe weiterer Untersuchungen feststellen, wer die mutmaßliche Rakete abgefeuert hat und ob dabei gegen das Kriegsrecht verstoßen wurde.

Die Munition, die Human Rights Watch bislang nicht eindeutig identifizieren konnte, schlug am 17. Oktober um 18:59 Uhr auf einer gepflasterten Fläche innerhalb des Krankenhausgeländes ein. Um diese Fläche befindet sich ein Parkplatz und ein begrünter Bereich, in dem sich viele Zivilist*innen versammelt hatten, um Schutz vor israelischen Angriffen zu suchen. Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza wurden dabei 471 Menschen getötet und 342 verletzt. Human Rights Watch konnte diese Zahlen nicht belegen.

„Nach Sichtung von Videos und Fotos geht Human Rights Watch davon aus, dass am 17. Oktober eine Rakete auf dem Gelände des Al-Ahli Krankenhauses einschlug“, sagte Ida Sawyer, Direktorin der Abteilung Krisen und Konflikte bei Human Rights Watch. „Die Opfer und die Familien der Getöteten und Verletzten, die im Krankenhaus Schutz gesucht hatten, verdienen eine umfassende Untersuchung, damit sie Klarheit darüber erlangen, was genau passiert ist und wer dafür verantwortlich ist.“

Während das Gesundheitsministerium in Gaza Israel für die Explosion verantwortlich machte, erklärte das israelische Militär, die Explosion sei auf eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihad zurückzuführen. Sowohl die israelischen als auch die palästinensischen Behörden haben es jahrzehntelang versäumt, glaubwürdige und unparteiische Untersuchungen mutmaßlicher Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durchzuführen. Deshalb ist eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls jetzt umso wichtiger, etwa durch eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Untersuchungskommission. Im Rahmen der Untersuchung müssen alle Parteien uneingeschränkt kooperieren.

Human Rights Watch hat öffentlich zugängliche Fotos und Videos der Explosion sowie Satellitenbilder geprüft, fünf Augenzeugen des Vorfalls und seiner Nachwirkungen befragt, von anderen Organisationen veröffentlichte Untersuchungen durchgesehen und Expert*innen konsultiert. Per Fernanalyse hat HRW die Explosion und die Schäden vor Ort bewertet sowie mehrere mögliche Flugbahnen der Objekte rekonstruiert, die auf den zum Zeitpunkt des Angriffs aufgenommenen Videos zu sehen waren. Die Videos zeigen auch die Momente vor und nach der Explosion im Krankenhaus.

„Man konnte nirgendwo hingehen, denn überall lagen Leichenteile, Verletzte und Sterbende“, sagte ein Journalist, der eine Stunde nach der Explosion im Krankenhaus eintraf, gegenüber Human Rights Watch. „Die Menschen am Tatort waren hauptsächlich Kinder, ältere Menschen und Frauen.“

Da es keine öffentlich zugänglichen Bilder von Munitionsresten gibt und Human Rights Watch das Krankenhausgelände nicht besichtigen konnte, war es bisher nicht möglich, die Munition eindeutig zu identifizieren.

Die Geräusche, die der Explosion vorausgingen, der Feuerball, der sie begleitete, die Größe des entstandenen Kraters, das Muster der damit verbundenen Splitterschäden und die Art und das Muster der Risse, die um den Krater herum zu sehen waren, deuten jedoch insgesamt auf den Einschlag einer Rakete hin.

Auf Grundlage der Human Rights Watch vorliegenden Belege ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Explosion von einer großen, aus der Luft abgeworfenen Bombe herrührte. Das israelische Militär hat seit dem 7. Oktober Tausende solcher Bomben über dem Gazastreifen abgeworfen.

Die Behörden im Gazastreifen sind offensichtlich im Besitz von Überresten der Munition, die am Al-Ahli-Krankenhaus explodiert ist. Diese Überreste würden eine eindeutige Identifikation zulassen. Ein am Abend der Explosion aufgenommenes Foto zeigt Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes, einer Spezialeinheit der Polizei von Gaza, die im Bereich um den Krater tätig sind. Ein Zeuge, der sich am Abend der Explosion im Krankenhaus aufhielt, berichtete Human Rights Watch, dass „Mitarbeiter des Innenministeriums alle Splitter, die sich auf dem Gelände befanden, mitnahmen“.

Ein Hamas-Mitglied sagte, dass die Überreste „bald der Welt gezeigt“ werden würden. Mehr als einen Monat nach der Explosion ist dies noch nicht geschehen. Ghazi Hamad, ein hochrangiger Hamas-Sprecher und stellvertretender Außenminister der Hamas im Gazastreifen, erklärte am 22. Oktober gegenüber den Medien, dass „sich die Rakete wie Salz in Wasser aufgelöst hat … Sie ist verdampft. Nichts ist übriggeblieben“. Human Rights Watch wies darauf hin, dass der Großteil der Munition in der Regel nach einer Detonation vorhanden bleibt, auch wenn Teile der Munition so konstruiert sind, dass sie auseinanderbrechen und durch thermische Schäden unkenntlich gemacht werden können. In einem Schreiben vom 10. November bat Human Rights Watch den Sprecher des Hamas-Innenministeriums im Gazastreifen, Iyad al-Bozom, um Informationen, auch über die Überreste. Zum Zeitpunkt dieser Pressemitteilung lag noch keine Antwort vor.

Die Behörden im Gazastreifen und in Israel sollten alle ihnen vorliegenden Informationen über die Explosion öffentlich zugänglich machen, insbesondere jegliche Belege hinsichtlich der Munitionsreste. Auch medizinische Aufzeichnungen über die Art der Verletzungen der Opfer, vorbehaltlich solcher, die dem Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit unterliegen, sowie andere Beweismittel wie unveröffentlichte Videos von der Explosion könnten Aufschluss über die Ursache der Explosion geben.

Israelische Streitkräfte haben im Rahmen der aktuellen Kampfhandlungen wiederholt mutmaßlich rechtswidrige Angriffe auf medizinische Einrichtungen, Personal und Transporte durchgeführt, die Human Rights Watch dokumentiert hat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete am 21. November, dass sie seit dem 7. Oktober 178 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen dokumentiert habe und dass die meisten Krankenhäuser im Gazastreifen infolge der Angriffe nicht mehr funktionsfähig seien.

Seit dem 7. Oktober haben bewaffnete palästinensische Gruppen rechtswidrig Tausende Raketen auf israelische Gemeinden abgefeuert und damit Menschen getötet und verletzt und Sachschäden verursacht.

Der UN-Menschenrechtsrat hat 2021 eine unabhängige internationale Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete eingesetzt, einschließlich Ost-Jerusalem, und Israel. Diese Kommission hat das Mandat, „alle mutmaßlichen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen die internationalen Menschenrechtsnormen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, und in Israel bis zum 13. April 2021 und danach zu untersuchen.“ Am 10. Oktober gab die Untersuchungskommission bekannt, dass sie „für Kriegsverbrechen, die von allen Parteien seit dem 7. Oktober 2023 begangen wurden, Beweise sammelt und aufbewahrt“.

Nach dem humanitären Völkerrecht bzw. dem Kriegsrecht stehen Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, Verletzte und Kranke sowie medizinisches Personal und Krankentransporte unter besonderem Schutz, das heißt, sie müssen unter allen Umständen geschützt und respektiert werden.

Die Staaten sollten Militärhilfe und Waffenlieferungen an bewaffnete palästinensische Gruppen, einschließlich der Hamas, aussetzen, solange diese weiterhin systematisch Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung verübt, die Kriegsverbrechen darstellen. Ebenso sollten Regierungen Militärhilfe und Waffenlieferungen an Israel aussetzen, solange dessen Streitkräfte wiederholt ungestraft schwere Übergriffe begehen, die Kriegsverbrechen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung darstellen.

„Die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus ist einer von zahlreichen Angriffen, bei denen medizinische Einrichtungen im gesamten Gazastreifen beschädigt und Zivilisten und medizinisches Personal getötet wurden. Somit bleibt vielen Palästinensern der Zugang zu dringend benötigter medizinischer Versorgung verwehrt.“, sagte Sawyer. „Die Behörden in Gaza und Israel sollten die Beweise für Munitionsreste und andere Informationen, die sie über die Explosion im Al-Ahli Krankenhaus haben, freigeben, um eine vollständige Untersuchung zu ermöglichen.“

Weitere Berichte von Human Rights Watch zu Israel und Palästina finden Sie unter:

https://www.hrw.org/middle-east/north-africa/israel/palestine

 

 

 

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